Donnerstag, 5. Mai 2016

Beitrag zur Geschichte der Stadt Diessenhofen (2) *** Bombardierung der Rhein-Brücke bei Diessenhofen 1944



Bombardierung der Rhein-Brücke bei Diessenhofen im Jahre 1944


Einige Schweizer Städte wurden im Zweiten Weltkrieg irrtümlicherweise von den Alliierten bombardiert: Zürich und Basel gleich mehrfach, am schlimmsten traf es aber Diessenhofens Nachbarstädte Schaffhausen am 1. April 1944 (40 Tote) und Stein am Rhein am 22. Februar 1945 (11 Tote). Wie der in Diessenhofen aufbewahrte Bombensplitter beweist, war aber auch Diessenhofen vom Krieg betroffen, der buchstäblich nur wenige Meter vor der Haustür tobte.


Bombensplitter, Stahl, mit weisser Farbe beschriftet, 24 x 10 cm
(Privatsammlung, Diessenhofen)

In einem umfangreichen Manuskript hat Heinrich Waldvogel, Stadtschreiber von Diessenhofen, 1954 die Ereignisse handschriftlich aufgeschrieben und mit Photographien illustriert:

Heinrich Waldvogel: Kleine Chronik des Zweiten Weltkrieges von Diessenhofen aus gesehen. Album, Halbledereinband, 30 x 25 cm, 19 Seiten Manuskript, [20] Blatt mit [20] Original-Photographien. Diessenhofen, 16. Februar 1954. Archiv der Stadtgemeinde Diessenhofen.

Die nachfolgenden Texte, Bildlegenden und Photographien sind diesem Manuskript entnommen. Einzig die Photographien mit den in Diessenhofen notgelandeten amerikanischen Bombern und natürlich der Wochenschau-Beitrag stammen aus anderen Quellen.

2. September 1939: Generalmobilmachung. Diessenhofen hatte ca. 200 Mann zu stellen.

Pfingsten 1940: Die militärische Lage ist sehr angespannt. Die Grenze ist total abgeschlossen und an Unfreundlichkeiten der vom Hitlerwahn erfassten Gailinger Bevölkerung fehlt es nicht. In diesen Tagen spricht man ernst davon, dass Hitler beabsichtige, mit einer Armee in die Schweiz einzudringen. [...] In der Samstagnacht vor Pfingsten ist Alarm. Stündlich erwartet man eine Aktion von Deutscher Seite. Die Nacht vergeht aber ruhig.

20. August 1940: Scheinbar verirrte oder falsch orientierte englische Militärflugzeuge werfen in der Nacht einige Bomben gegen die Bahnlinie Diessenhofen – Schlattingen; ohne zu treffen fielen die Bomben in benachbarte Felder und Wiesen. Die Aufregung im Städtchen war gross, ging aber bald vorüber.

17. April 1942: Fremde Bombergeschwader überfliegen täglich unsere Gegend; heute von 18.30 bis 19.30 Uhr in ununterbrochener Folge. Sirenengeheul aus Singen, Gottmadingen und Gailingen.

24. Mai 1943: Oberst Emil Egg, Kommandant des Grenzschutzregimentes 51, wird auf einem Kontrollgang im «Schaaren» von einem Wachposten, auf dessen Halt-Ruf er nicht reagierte, erschossen.

16. März 1944, 14.20 Uhr: Von Nordosten herkommend [erscheint] ein viermotoriger Bomber, treibt führerlos und stürzt in der Nähe des Kundelfingerhofes mit Expolosion ab. Die Trümmer der amerikanischen Maschine liegen über 1 km² zerstreut.

[18.] März 1944, ca. 16.00 Uhr: Im Ratihart [landet] ein amerikanischer Bomber mit 5 Mann Besatzung, davon ein Mann verwundet; bevor unser Militär die Maschine beschlagnahmen kann, wird sie von den Amerikanern angezündet und verbrennt vollständig, wobei eine Menge Munition explodiert. Die Maschine kam von einem Tagesangriff auf Friedichshafen. Bei Ihrem Rückflug kam sie bei Belfort in starkes Sperrfeuer und musste umkehren. 5 Mann der [10-köpfigen] Besatzung waren vor der Notlandung, offenbar noch über deutschem Boden, mit Fallschirm[en] abgesprungen.

Das Ratihart im Westen von Diessenhofen ist ein riesiges Feld von etwa 1300 Meter Länge. Links wird es begrenzt durch die Bahnlinie von Diessenhofen nach Schlatt, rechts durch den Rhein. Das Feld  ist völlig ohne Hindernisse, wie Häuser oder Bäume, also bestens für eine Notlandung geeignet. Der Kreis markiert etwa die Stelle, wo das Wrack des notgelandeten Bombers am 18. März 1944 lag.
(Photo 2012)

Hans Griebel: Zerstörter viermotoriger Bomber «B-24 Liberator» im Ratihart. Hier handelt es sich um die am 18. März 1944 notgelandete Maschine mit ursprünglich 10 Mann Besatzung. Links ist der Schaarenwald und rechts das Dörflinger Ufer erkennbar. Das Haus über dem Wrack ist das Restaurant «Waldheim» am anderen Ufer des Rheins. Es ist bekannt dafür, dass die schweizerisch-deutsche Grenze zwischen Dörflingen und der deutschen Enklave Büsingen exakt durch den Garten des Restaurants verläuft. (Glasdiapositiv aus der Sammlung Osric Boland, Neuhausen [1])

Das ist die heutige Situation, ungefähr von der Stelle aus photographiert,
wo 1944 das Wrack der «Liberator» lag. 
Auch hier ist das Restaurant «Waldheim» durch die Bäume hindurch erkennbar. 
(Photo 2012)

Das Doppelseitenleitwerk und der Rumpf der «B-24 Liberator» haben tiefe Schleifspuren hinterlassen, im Hintergrund ist der Schaarenwald erkennbar, links verläuft die Bahnlinie von Diessenhofen nach Schlatt. (Copyprint 10 x 14 cm aus dem Archiv der Stadtgemeine Diessenhofen)

Das ist wiederum die Situation heute, ungefähr von der Stelle aus photographiert, 
wo 1944 das Wrack der «Liberator» lag. (Photo 2012)

Ein andere Ansicht des Bombers mit den beiden rechten Triebwerken. Blick nach Nordosten, im Hintergrund rechts ist das Gailinger Ufer erkennbar.
(Copyprint 10 x 14 cm aus dem Archiv der Stadtgemeine Diessenhofen)

Ein Schweizer Soldat vor dem rechten Seitenleitwerk der «B-24 Liberator».
(Copyprint 10 x 14 cm aus dem Archiv der Stadtgemeine Diessenhofen)

Im Internet findet man weitere Informationen zur notgelandeten «B-24 Liberator», die von der Besatzung den Übernamen «Late Date II» bekommen hatte. Stehend von links: Kenneth C. Parks (Navigator), Samuel B. Poppel (Bombenschütze), George T. Haffermehl (Pilot), Donald H. McMullen (Kopilot). Vorne von links: Michael G. Harwick, (Bordschütze), Frederick J. Wagner (Bordschütze), Earl S. Parker (Bordingenieur), Jewell M. Mitchell (Bordschütze), Louis H. Landry (Bordschütze) und Leon J. Beausoleil (Funker). Der Pilot, George T. Haffermehl, war offenbar in Panik geraten und bereits über Deutschland mit 4 Mann durch den Bombenschacht abgesprungen. Der Kopilot, Donald H. MacMullen, landete die Maschine mit weiteren 4 Mann sicher in Diessenhofen. Der schwer verletzte Bombenschütze, Samuel B. Poppel, war noch in der Luft durch explodierende Munition verletzt worden. (Quelle: Air Force – Together We Served)

1. April 1944: Kurz nach 11 Uhr vormittags erscheint über unserer Gegend eine amerikanische Fliegerstaffel; wie Silbervögel glänzen die Maschinen am blauen Himmel. Fliegeralarm ringsum. Die Staffel verschwindet, kehrt aber wieder zurück. Plötzlich werden kleine Rauchsignale von einigen Maschinen gegeben und es fallen von Schlatt bis zur S.B.B.-Station und von hier der Bahnlinie entlang bis Feuerthalen unübersehbar Brand- und Sprengbomben. 

Der Lagerschuppen der Station Schlatt wird getroffen und geht in Flammen auf. Sonst entsteht bei uns nur Flurschaden. Feuerthalen erhält eine Reihe Treffer von Brandbomben, die Brände und schwere Schäden verursachen. Schaffhausen aber wird fürchterlich getroffen. [...] 40 Menschenleben fielen dem Irrtum dieses amerikanischen Staffelführers zum Opfer.


17. Juni 1944: Beim Brückenbewachungsdetachement Hemishofen ereignet sich ein schweres Explosionsunglück. Im sog[enannten] «Tschungel» auf der linken Seite des Rheins explodiert beim Transport eine ganze Reihe von sog[enannten] Tellerminen. Zehn Soldaten werden getötet. Niemand weiss, was Schuld an diesem schweren Unglück war, denn keiner von jenen, die dabei waren, hat das Unglück überlebt.

24. August 1944: Einweihung des neu renovierten Siegelturmes. Imbiss und Trunk im Rathaus.

9. November 1944: Bei hellem Wetter erscheinen vormittags gegen 11 Uhr über Diessenhofen amerikanische Flugzeuge, die hier kreisen und wieder verschwinden. Kurz nachher erscheinen diesselben Flugzeuge wieder über dem Städtchen, Rauchfahnen erscheinen an den Flugzeugen und sofort fallen eine Reihe von Bomben auf den nördlichen Brückenkopf und in den Rhein. 

Der Brückenkopf ist zerstört, die Brücke dort hängt, aus dem Widerlager gerissen, gegen den Rhein, der Gasthof «zum Schiff» ist so gut wie verschwunden. Die Detonation war gewaltig; verletzt wurde jedoch wunderbarerweise niemand. Durch den Druck und durch den Sog der Explosion und durch bis mitten ins Städtchen geschleuderte Steine und Splitter entstand in Diessenhofen bedeutender Schaden. Vor allem die Häuser am Rhein wurden bös mitgenommen und mussten restauriert werden. 

Die Strassen der Nordhälfte des Städtchens waren mit allen möglichen Splittern übersät. Fast alle Fensterscheiben gingen in Brüche; in den Häusern entstanden Risse, Dächer wurden abgedeckt und teilweise zerschlagen. Vom damaligen Zustand in Diessenhofen geben die in diesem Buch untergebrachten Photos ein deutliches Bild. Der Schrecken im Städtchen war gross, aber man verlor den Kopf nicht. Das hier stationierte Militär und die Feuerwehr griffen sofort ein und sorgten für Hilfe und Sicherung. 

Alle Schäden, die den Totalbetrag von Fr. 200'000.– erreichten, wurden durch die kantonale Brandversicherungsanstalt als nicht versicherbare Elementarschäden vergütet. Die U.S.A., deren Flieger das Unheil angerichtet hatten, beteiligten sich an der Schadendeckung nicht, wenigstens nicht direkt, weil es sich bei den Schäden in Diessenhofen um Fernwirkung handelte. Alle Bomben fielen auf deutschem Gebiet.


Rheinfront unterhalb der Rheinbrücke

Häuserpartie oberhalb der Rheinbrücke


Blick vom linken Brückenkopf gegen die Rheinhaldenstrasse

An der Rheinhaldenstrasse

Das sog[enannte] Toggenburgerhaus von Westen

Fabrikfassade am Rhein (östlich Toggenburgerhaus)

Die Nordfassade des Rathauses

Blick auf den nördlichen Brückenkopf von Südosten

Blick auf den nördlichen Brückenkopf von Südwesten

Brückendach und nördlicher Brückenkopf von Süden

Das Innere der nördlichen Brückenhälfte

Der nördliche Brückenausgang mit Blick auf den zerstörten
Gasthof «zum Schiff»

Die Ruine des Gasthofes «zum Schiff»

Bombenkrater am nördlichen Rheinufer östlich des Brückenkopfes

Abfertigungsraum im schweizerischen Zollgebäude

Terasse des Hauses No. 41 (Polizeiposten); Einschlag eines schweren Steines, der vom jenseitigen Rheinufer hierher geworfen wurde, d.h. bis zur Obertorgasse

Innenraum des Polizeipostens, in den der Stein fiel

Der Stein im Polizeipostengebäude

25. Dezember 1944: Starke Fliegertätigkeit am Nachmittag, als ich eben mit Frau und Sohn auf dem Weg nach Basadingen war, erschienen Fliegerstaffeln, kurz darauf, 14.08 Uhr, erfolgte eine gewaltige Detonation und in der Richtung Tayngen stieg ein gewaltiger Explosionspilz  zum Himmel: 18 Sprengbomben wurden in ein Fabrikgebiet in Tayngen geworfen, die böse Zerstörungen anrichteten und ein Menschenleben forderten.

22. Februar 1945, ca. 12.00 Uhr: Stein am Rhein [wird] von einem amerikanischen Bomber bombardiert. Es entstehen schwere Schäden, viele Häuserquartiere werden vernichtet und 11 Menschen werden getötet.

24. April 1945: An den Häusern von Gailingen, auch am Zoll bei der Rheinbrücke, werden von den Deutschen weisse Tücher als Zeichen der Aufgabe des Widerstandes ausgehängt.

28. April 1945, ca. 13.00 Uhr: Eine kleine frazösische Panzerwagenkolonne, ca. 30 Mann, hält am deutschen Brückenkopf Gailingen. Kurze Begrüssung zwischen schweizerischen und französischen Offizieren und Soldaten. Abfahrt der Kolonne nach ca. 20 Minuten.

12. Mai 1945: Gailingen wird von den Franzosen besetzt. Waffenstillstand – aber noch nicht Friede
.




Weitere Bilder (Bilder aus dem Archiv des "Anzeiger am Rhein" 1944)




Diese Aufnahme zeigt übrigens das Modell für den Wiederaufbau der zerstörten Brücke






Beitrag zur Geschichte der Stadt Diessenhofen (1) *** Diessenhofen und die Bedeutung der Rheinbrücke





Diessenhofen und die Bedeutung der Rheinbrücke
(aus den Archiven des Anzeiger am Rhein - nachbearbeitet von René Sehringer)

Die bewegende Geschichte einer Brücke über 8 Jahrhundete

Die Rheintraversierung über eine Brücke bei Diessenhofen hatte schon immer eine immense
Bedeutung. Diese Flusspassage für Handelsgüter (Handelsstrasse) wurde zur Lebensader für die
Kleinstadt am Rhein.
 
Ein Blick in die überlieferten Schriftdokumente bringt denn auch interessante Einzelheiten an
den Tag. Die nachfolgenden Texteauszüge wurden grösstenteils in der (zum Zeitpunkt der
Niederschrift) geltenden, deutschen Schriftsprache belassen.

Als im Jahr 1178 der thurgauische Landgraf Hartmann III. von Kyburg dem Ort Diessenhofen das
Stadtrecht verlieh, konnten ihn hierbei nicht in erster Linie verkehrs- oder handelspolitische,
sondern vielmehr militärpolitische Gründe geleitet haben.

Zwar passierte der Ost-West-Verkehr auf der billigen und sichern Wasserstrasse des Rheins den
Ort, aber Diessenhofen war nur Anlege und nicht Umschlagsplatz wie etwa Schaffhausen oder
Konstanz. Die Warenschiffe hielten in Diessenhofen in der Hauptsache nur zur Entrichtung des
Rheinzolls an. Der Warenumschlag war deshalb kaum von Bedeutung.

Direkter involviert wurde Diessenhofen vom Verkehr, der in Nord-Süd-Richtung verlief, denn das
Kaufmannsgut, das von Süden über Winterthur nach Diessenhofen und von hier über den Rhein
nach dem nahen Hegau geführt wurde, fand dort den Anschluss an die alte Handelsstrasse nach
Ulm. Dieser Verkehr kam mit dem Ort und seiner Bevölkerung wohl stärker in Berührung, als der
Schiffsverkehr auf dem Rhein.

Der Markt zu Diessenhofen war zur Zeit der Stadtrechts-Erteilung noch recht bescheiden und
lebte zur Hauptsache aus dem Nahverkehr. Ausschlaggebender bei den Überlegungen von Graf
Hartmann III. war jedoch sicher einmal die nach Norden und Westen günstige strategische Lage
Diessenhofens als vorgeschobener Stützpunkt der Landgrafschaft Thurgau zwischen Schaffhausen
und Stein am Rhein.

Für den Schutz des rechtsrheinischen kyburgischen Besitzes, war jedoch das Vorhandensein
eines brauchbaren Rhein-Überganges unbedingte Voraussetzung. Mitbestimmend bei der
Stadtrechtserteilung war natürlich auch die Spekulation, dass die Kyburger von einem
befestigten Diessenhofen aus den gesamten Verkehr auf dem Rhein und über denselben nach
Norden und Süden fest unter ihrer Kontrolle und ergo, damit auch ein bedeutendes Machtmittel
in ihren Händen hatten.

Diese ganz allgemein geschilderten Verhältnisse änderten sich auch nicht, als im Jahre 1264 mit
Graf Hartmann IV. der Mannesstamm der Kyburger ausstarb und die kyburgische Erbschaft an
das Haus Habsburg-Oesterreich überging; ja, sie behielten ihre Bedeutung während des ganzen
Mittelalters und muss in Betracht gezogen werden, wenn wir uns mit der Geschichte der
Rheinbrücke zu Diessenhofen beschäftigen und nach dem Ursprung und Alter dieses
Rheinüberganges fragen wollen.

Zweifelsohne ist die Rheinüberquerung bei Diessenhofen viel älter, als seine erste urkundliche
Erwähnung aus dem Jahre 1292. Dieser Umstand allein berechtigt jedoch nicht zu dem
endgültigen Schluss, dass vor 1292 überhaupt keine Rheinbrücke in Diessenhofen bestanden
habe.

Kehren wir zurück ins Jahr 1178, als Graf Hartmann III. von Kyburg die Stadt Diessenhofen zu
einem seiner militärischen Stützpunkte erkor und den Ort „kriegstauglich“ machte.
Ein Privilegium hatte Herzog Albrechts Vater, König Rudolf von Habsburg, dem nahegelegenen
Frauen-Kloster St Katharinental bereits am 15. Juli 1286 verliehen: Das Kloster wurde
brückenzollbefreit!

Der Verkehr des 1242 gegründeten Klosters St. Katharinental über die Diessenhofer Rheinbrücke musste zu dieser Zeit ziemlich bedeutend gewesen sein. Die dortigen Nonnen stammten zum grössten Teil aus vornehmen Geschlechtern des nahen Hegaus und das Kloster selber besass aus Schenkungen und Kauf einen ausgedehnten Besitztum auf rechtsrheinischem Gebiet.

Zudem befand sich St. Katharinental damals in raschem Wachstum; es wurde intensiv gebaut und
bereits am 11. März 1305 wurden durch den Konstanzer Weihbischof Salvinensis der erweiterte Chor und vier neue Altäre geweiht. Dem klösterlichen Privileg der Zollfreiheit war jedoch nur eine sehr kurze Lebensdauer beschieden!

Es scheint, dass man in Diessenhofen über diese Begünstigung nicht sonderlich erbaut war,
wirkte sie sich doch finanziell ganz empfindlich aus. Ob die Stadt selber in dieser Sache bei
Herzog Albrecht von Oesterreich vorstellig wurde, wissen wir nicht; jedenfalls bestimmte dieser
bereits am 13. September 1294, dass das Kloster jährlich sieben Pfund-Pfennig Brückenzoll und
drei Pfund-Pfennig Umgeld zu bezahlen habe.

Am 26. November 1295 stellt die Priorin von St. Katharinental der Stadt Diessenhofen einen
gleichlautenden Revers aus.

Die aus dem Waren-Verkehr über den Rhein vereinnahmten Zölle waren die Haupteinnahme-
Quelle Diessenhofens. Aus der Urkunde vom 29. Juli 1292 erfahren wir, dass der Brückenzoll von
Karren, Einspännern und Doppelgespannen, entrichtet werden musste; auch dann, wenn die
Fuhrwerke nicht mit Waren beladen waren.

Der Brückenzoll war demnach eine Art Benützungsgebühr an den Ersteller und Unterhalter der Brücke,
also die Stadt Diessenhofen. Ob auch die die Brücke passierenden Personen brückenzollpflichtig waren, kann man den Urkunden aus dieser Zeit leider nicht entnehmen.

Diessenhofen, das nach einem alten Rodel im Bürgerarchiv nicht nur für Bau und Unterhalt der
Brücke aufzukommen, sondern auch das Zollpersonaler zu besolden hatte, war also auf die
Einnahmen aus dem Brückenzoll angewiesen.

Allerdings kam der Stadt nicht der ganze Ertrag des Brückenzolles zu, sondern nur ein ganz
bestimmter Teil. Der Überschuss musste dem Herzog von Oesterreich, dem eigentlichen
Stadtherrn, abgeliefert werden! Wir erkennen das aus einer Urkunde vom Gottlichnamstag anno
1399.

Diessenhofen war damals dem Herzog Leopold mit einem ungenannten Geldbetrag zur
Erkaufung der Herrschaft Hewen zu Hilfe gekommen. Dafür verpfändete der Herzog den
Diessenhofern den Brückenzoll-Überschuss der künftigen sieben Jahre, ausgenommen davon
waren die Zinsen, die von ihm oder von seinen Vorfahren bereits schon früher an andere
Gläubiger abgetreten worden sind.

Dieser Zollüberschuss wurde, wie übrigens auch der Schiffahrts-Rheinzoll, meistens verpfändet;
nach 1400 sogar an die Stadt Diessenhofen selbst, so dass diese ab diesem Zeitpunkt in den
vollen Genuss dieser Einnahmen kam.

Auf die Frage nach Bauart und Aussehen der alten Rheinbrücke ist anzumerken, dass weder
Bilder noch Beschreibungen dieses Bauwerks aus der Zeit vor 1500 existieren. Die erste bildliche
Darstellung finden wir in J. Stumpfs „Schweizerchronik“ vom Jahre 1548. Auf diesem „ältesten
Prospekt Diessenhofens“ zeigt sich die Rheinbrücke als offene Holzbrücke, die auf acht Pfeilern
ruhte und an beiden Enden mit Toren versehen war.

Das stadtseitige Tor, das sogenannte Rheintor, war zu einem wuchtigen, im Grundriss
quadratischen Turm ausgebaut und für Verteidigungszwecke eingerichtet. Von hier aus konnte
auch die Fahrbahn über den ersten zwei Jochen als Fallbrücke hochgezogen werden, so dass ein
Passieren der Brücke verunmöglicht wurde. Der mehrstöckige Torbau war von einem Zeltdach
gedeckt.

Die Häuserbauten stiessen als Fortsetzung der dortigen nördlichen Stadtmauer zu
beiden Seiten des Torturmes direkt an. Somit wurde die Nordfront der Stadt bei der Brücke
abgeschlossen. Das Brückentor auf dem gegenüberliegenden Rheinufer war bedeutend kleiner,
mit einem einfachen Dach und gestaffelten Giebelwänden. Weitere Nebenbauten sind keine zu
erkennen.

Zwischen dem dritten und dem vierten Pfeiler, stadtseits gerechnet, befand sich auf der Brücke
ein kleines Holzgebäude, das sogenannte „Winkhus“, welches erstmals 1404 und 1409 genannt
wird. Von hier aus wurde der Verkehr der grösseren Schiffe unter der Brücke hindurch dirigiert
und der Rheinzollstation beim Gredhaus unterhalb der Brücke das Zeichen zur Bereitschaft
gegeben.

Bei den Bildern des bekannten Stadtbasler Kupferstechers Matthäus Merian, der Ältere (* 22.
September 1593 in Basel; † 19. Juni 1650 in Bad Schwalbach) „Topographie Helvetiens“ von
1643 und 1654 fehlt das „Winkhus“ und auch das Gailinger Brückentor ist bedeutend kleiner, als
bei Stumpf gezeichnet.

Besonders anschaulich dargestellt finden wir die Brückenbaute mit „Winkhus“ auf einer
Zeichnung von J. J. Menzinger aus dem Jahre 1640, deren Original in der Rathauslaube zu
Diessenhofen ausgestellt ist.

So wie uns Stumpf, Merian und Menzinger aufzeigen, wird unsere Brücke in der Hauptsache
ausgesehen haben; jedenfalls war sie eine offene Holzbrücke und blieb dergestalt bis ins 19.
Jahrhundert. Dieses Bild wird auch der Schaffhauser Chronist J. J. Rüeger gesehen haben, der in
seinem 1606 abgeschlossenen Chronikwerk schreibt, sie sei „die sibende brugk des Rhins und die
vierte under dem Bodensee“.

Die einfache, hölzerne Brücke, die offen Wind und Wetter ausgesetzt war und immerhin einen
ziemlichen Verkehr aufnehmen musst, brachte aber nicht nur die guten Einnahmen aus dem
Brückenzoll, sondern sie war infolge der ständig notwendigen Reparaturen auch ein echtes
Sorgenkind der Stadt Diessenhofen.

Mehrmals musste die Brücke im Laufe der Jahrhunderte vollständig emeuert werden.
Es scheint auch, dass sie, wenigstens bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, nicht sehr
robust gebaut war, denn öfters wurde sie durch die, an die Brückenpfeiler anstossenden Schiffe,
ernsthaft beschädigt.

Die Strafen für die fehlbaren Schiffahrer waren denn auch entsprechend: Im Jahre 1404 ist
Conrad Hellrigel von Lindau „ennethalb dem Wikus an die Brücke gefahren und hat ein Joch
weggeführt. Er wird darum um 120 Pfund Heller gebüsst. 1409 fährt derselbe Sünder „hiedissent
dem Wikus gegen der Statt“ wiederum an die Brücke; Hellrigel bezahlt dafür der Stadt eine
Busse von 100 Pfund Heller und dem Vogt eine Scheibe Salz.

Zu Pfingsten 1475 muss Hermann Ott genannt „Schüch von Steckborn“ Urfehde schwören. Ott
war mit seinem Schiff an die Rheinbrücke gefahren, wodurch mehrere Personen fast verunglückt
wären. Hermann Ott wurde dann von Diessenhofen in Gefangenschaft gesetzt; offenbar konnte
Ott die Busse, deren Höhe nicht genannt ist, nicht sofort entrichten. Erst auf Bitten des Fürst-
Abtes Jekelmann von Reichenau, des Junkers Heinrich von Birkendorf, des Hans Weniger,
Ammann zu Steckborn, des Propstes Niklaus zu Öhningen und von Ritter Johann von Randegg
wird Ott aus der Gefangenschaft entlassen und muss schwören, gegen das Urteil nicht zu
„üfern“

Als 1532 Christen Ruof von Wangen mit einem Holzschiff einen Brückenpfeiler schwer
beschädigt, ist er dem Rat von Diessenhofen „mit Lyb und Gut“ verfallen. Weil aber für ihn
grosse Fürbitte getan wird, findet er Gnade und wird zu einer Busse von 20 Gulden verurteilt.
Einer Busse in gleicher Höhe verfällt Hans Bissegger von Stein am Rhein, als er in der
Bartholomäusnacht 1544 die Brücke durch Anfahren mit seinem Schiff schwer beschädigt.
Ähnliches widerfuhr noch vielen Schiffsleuten.

In den bis 1530 zurückreichenden Ausgabenbüchern der Stadt Diessenhofen finden wir die
Kosten für eine Menge grösserer und kleinerer Reparaturen und Bauarbeiten an der Rheinbrücke
verzeichnet.

Die wichtigsten oder interessantesten dieser Ausgaben seien hier in chronologischer Folge
aufgeführt.

1530 Dem „Sailer von Schaffhausen werden zum Sailerverbrucht zur brugg“ 11 Pfd . Hl. bezahlt.
Ein Werkmeister von Stein am Rhein bezieht für seine Arbeiten an der Brücke 15 Pfd., 16
Schilling. 6 Heller.

Einem Schmied von Schaffhausen werden „von schühen zum pfälen“ 5 Gulden 8 Schill. bezahlt,
und ein Hans Diebold erhält für das Binden der Pfeiler 4 Pfd. 6 Hl. Auch der Diessenhofer
Baumeister Hans Grüter präsentiert im gleichen Jahr für seine Arbeiten an der Brücke eine
Rechnung von 23 Pfd. 9 Schill. 6 Haller. Somit müssen also 1530 ziemlich umfangreiche
Reparaturarbeiten vorgenommen worden sein.

1538 wird das „Schindlentach uff der Rinbrugg“ von einem Schaffhauser Dachdecker neu
gemacht. Es wird sich hier um das Dach des Winkhuses handeln.

1542 führte der Rhein derart Hochwasser, dass die Brücke sehr schwer bedrängt wurde.
Hans Pfister mit vielen Gesellen, und den Bauern von Gailingen und Dörflingen, wird für die in
grosser Wassersnot an der Rheinbrücke geleisteten Hilfe Bezahlung durch die Stadt gegeben.

1543 und in den folgenden Jahren bis 1556 wird von den Klosterknechten von St. Katharinental
viel Bauholz zur Rheinbrücke „gefiinert“. Grössere Renovierungs-Arbeiten wurden somit auch
während dieser Zeitspanne getätigt.

15 48/49 wird die Fallbrücke gründlich renoviert. Das Holzwerk musste fast vollständig erneuert
werden; aber auch viele Eisenteile und die Ketten, mit denen dieser Brückenteil hochgezogen
werden konnte, wurden ersetzt. Über der Fallbrücke wurde neu ein Dach angebracht.

1555 erfahren wir, dass der Torwart am Rheintor damals eine Jahresbesoldung von 18 Pfd. 4
Schilling oder 7 Schilling pro Woche bezog.

1558/59 wird mit Ausnahme der Fallbrücke der ganze Brückenbau einer Totalrenovation
unterzogen.

Viele schadhafte Pfeiler mussten ersetzt werden. Der ganze Oberbau, das Holzwerk des Belages
und der Verkleidung der Brücke, wurde erneuert. Fast die gesamte Schmiedearbeit am Bau
musste neu geschaffen werden. Das offenbar sehr schadhafte „Winkhus“ wurde abgerissen und
neu erstellt. Baumeister war ein Meister Bastian von Diessenhofen (der Geschlechtsname ist
nicht bekannt).

Die Kosten für diese Arbeiten, soweit sie aus den Ausgabebüchern 1558/59
ersichtlich sind, beliefen sich auf rund 855 Pfund Haller. Das rohe Bauholz wurde von der Stadt
geliefert und ist in dem genannten Betrag nicht inbegriffen. Die Arbeiten wurden vom
Spätherbst 1558 bis zum Frühjahr 1559 ausgeführt.

1568 muss der „Pfyler am Turm der Rinbrugg“ neu erstellt werden. Das war wohi eine recht
schwierige Arbeit, denn auf diesem „Pfyler“, der das südliche Widerlager der Brücke bildete,
stand, wenigstens teilweise, das Rheintor. Meister Hans Olgub von Diessenhofen mit seinen
Gesellen benötigte für die Durchführung dieser Arbeiten drei Monate.

Die Kosten für Löhne beliefen sich auf 106 Pfd. 3 Schilling. Das Baumaterial wurde von der Stadt
geliefert; sein Wert ist uns nicht bekannt.

Für die Zeit von 1569 bis 1639 fehlen leider die städtischen Ausgabenbücher, und in den
Pursbüchern der Stadt aus dieser Zeit finden wir keine Aufzeichnungen über Bauarbeiten an der
Rheinbrücke. Dasselbe gilt für die Zeit von 1650 bis 1659.

1645 mussten wieder grössere, jedoch in den Rechnungen nicht näher bezeichnete Reparaturen
an der Brücke vorgenommen werden. Die Arbeiten wurden unter Leitung des städtischen
Werkmeisters durchgeführt und kosteten 112 Pfd. 10 Schill.

Trotz den vielen und kostspieligen Instandstellungsarbeiten befand sich aber die Diessenhofer
Rheinbrücke in der Zeit um 1660 in so schlechltem Zustand, dass ein eigentlicher Neubau nicht
mehr länger aufgeschoben werden konnte. Schon seit einigen Jahren wurden grosse eichene
Pfähle, die für neue Pfeilerbauten bestimmt waren, im Rheinwasser gelagert, um sie so
möglichst widerstandsfähig zu machen.

Im Jahre 1667 endlich ging man ans Werk. Am Freitag vor Ostern (5. April) 1667 traten
Schultheiss und Rat von Diessenhofen zu den endgültigen Beratungen über den Bau einer neuen
Brücke zusammen. Über die Vorarbeiten erfahren wir aus den Akten wenig, dagegen liegt im
Diessenhofer Bürgerarchiv ein ausführlicher Bericht, der uns über den Gang der Bauarbeiten
anschaulich und interessant unterrichtet und dem wir hier ein wenig folgen:

Leitung und Ausführung des Brückenbaues wurden an Meister Heinrich Altenburger, Werk- und
Zimmermeister von Schaffhausen, der auch Projektverfasser war, vergeben.

Die neue, wiederum offene Brücke sollte mit sechs Jochen den Rhein überqueren. Der
Übernahmepreis (nur Arbeitslohn) betrug je Joch 2 Mutt Kernen, 2 Eimer Wein und 55 Gulden an
Geld. Alles nötige Holz wurde von der Stadt Diessenhofen geliefert und zur Baustelle geführt.

Meister Altenburger arbeitete mit acht bis zehn Zimmergesellen und die Bauherrin hatte ihm
noch vier bis acht Stadtwerker auf ihre Rechnung zur Verfügung zu stellen.

Die alte Brücke wurde abgebrochen, und die meisten Pfähle der bisherigen Pfeiler wurden
ausgerissen. Etwa in der Mitte der Brücke, beim „Winkhus“, wurden die stärksten neuen Pfeiler
verwendet; diese hatten eine Länge von 47 Schuh ( 14,10 m) und wurden fünf bis acht Schuh in
den Rheinboden gerammt.

Die neuen Pfähle für die äussern Joche waren nur etwa 25 bis 26 Schuh lang und kamen fünf bis
sechs Schuh tief in den Boden. Das Einrammen der Pfähle geschah mit zwei besonders
angefertigen eisenbeschlagenen Buchenschlegeln, von denen jeder 15 Zentner wog. An einem
grossen Rad wurden diese Schlegel hochgezogen und dann auf die Pfähle fallen gelassen.

Gerüst und „Katze“ für die Rammarbeiten waren auf einem grossen, von Bernhard Meyer in
Schaffhausen ausgeliehenen, Schiff montiert; ein kleineres für die Bauarbeiten benötigtes Schiff
war bei Hans Jacob Pfau in Schaffhausen entlehnt worden. Die Pfähle zu beiden Jochen am
„Lindauer“ (erstes Joch gegen die Stadt) wurden mit eisernen Schuhen versehen, die von
Meister Hans Jacob Sulzer, Waffenschmied von Schaffhausen, verfertigt und geliefert wurden.

Anmerkung: Ein solcher Eisenschuh wog je nach Grösse 38 bis 42 Pfund und kostete je Pfund 10
Kreuzer. Es wurden 944 Pfund Eisenschuhe gebraucht, wobei aber bei weitem nicht alle Pfähle
beschuht wurden. Der Bericht vermerkt, dass die ausgerissenen alten Brückenpfähle nicht mit
Eisenschuhen versehen, sondern nur gespitzt waren. Im Verlaufe der Bau. arbeiten zeigte es
sich, dass ein Teil der Pfähle der beiden südlichen Joche noch gut war, so dass hier nur das
Notwendigste ersetzt werden musste.

Auf der Stadtseite (Südseite) wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Am 22. Oktober 1667, gegen
Abend, wurde der erste Pfahl am Lindauer Joch eingerammt. Über die Rammarbeiten im
allgemeinen schreibt der Bericht: „Alte Pfähl, die etlich Jahr zuvor im Vorraht im Wasser
gelegen, sind weit besser zu schlagen und bleiben ganz, als neue Pfähl, so erst aus dem
Buchberg geführt und alsobald gebraucht worden, sind hefftig spältig, schmetterig und spalten
gern.“

Jeder Pfahl wurde übrigens an seinem obern Ende mit zwölf „Fuhrfassreifen“ gebunden, welche
Arbeit vom Stadtküfer Mathias Vorster ausgeführt wurde.

Der Verkehr über den Rhein wurde während der Bauarbeiten so gut wie mšglich durch einen
Fährdienst aufrechterhalten. Wein, Korn und anderes Gut, das von Norden her in die Stadt
gebracht werden sollte, wurden auf Kosten der Stadt über den Rhein geführt. Die fremden
Pferde dieser Fuhrwerke wurden in der Stadttrotte, die rechts des Rheines stand, eingestellt
und auf Rechnung der Stadt gefüttert. Wein, der von rechtsrheinisch beheimateten Käufern in
der Stadt gekauft wurde, musste auf Kosten des Verkäufers an das jenseitige Ufer gebracht
werden.

Mitte Februar 1668 waren die Brückenjoche erstellt. Am 23. Februar desselben Jahres wurden
der Bau der Fahrbahn, des Winkhauses, der Fallbrücke, der Wasserleitung über die Brücke und
„alles, was um die Brugg noch nöthig war" an Meister Heinrich Altenburger vergeben. Der
vereinbarte Arbeitslohn für diese Arbeiten betrug 65 Gulden, 8 Eimer Wein und 2 Mutt Korn.
Später kam dann allerdings noch eine Taglohnrechnung von über 55 Gulden dazu.

Am 22. März 1668 „sind die 6 Joch so ganz neu gemacht und eingebunden gewesen, die Bretter
(Fahrbahn) aufgenaglet und das Winkhus wieder aufgericht worden. Dabei ist gewesen der
kleine Raht und das Gericht und ist Gottlob niemand beschädiget worden“, sagt der begleitende
Bericht.

Werkmeister Heinrich Altenburger bekam ein Trinkgeld von 10 Dukaten (36 Gulden), die
Zimrnergesellen erhielten je 2 Dukaten (etwa 7 Gulden). Am 25. März 1668 wurde die neue
Fallbrücke zum erstenmal hochgezogen, wozu es zum Erstaunen des Diessenhofer Rates nur zwei
Mann brauchte. Damit war der Brückenneubau vollendet. Der Baubericht sagt, dass von Meister
und Gesellen zusammen 850 Arbeitstage für die Baute aufgewendet wurden.

Die Baukosten können heute nicht mehr ermittelt werden. Die Angaben im Bericht umfassen
nicht alle Bauauslagen; das städtische Ausgabenbuch für 1667 fehlt, und in der Rechnung für das
Jahr 1668 sind nur die in diesem Jahr bezahlten Taglohnbeträge, nicht aber die Kosten für die
fest vergebenen Arbeiten aufgeführt.

Zudem kennen wir den Wert des von der Stadt gelieferten
Bauholzes nicht. Ein Teil davon wurde der Stadt Diessenhofen übrigens von den an der Brücke
zunächst interessierten Nachbargemeinden und von anderer Seite verehrt, nämlich:

von der Herrschaft Gailingen 6 Eichen,
von der Gemeinde Gailingen 6 Eichen und 2 Buchen,
von den Gemeinden Unterschlatt, Oberschlatt und Schlattingen je 5 Eichen,
von Basadingen 6 Eichen,
von Dörflingen 3 Eichen,
von den Gemeinden Randegg und Murbach 6 Eichen und 3 Föhren,
vom Kloster St. Katharinental 3 Eichen,
von den Winzern von Gailingen 5 Eichen,
von Hans Conrad Wepfer in Schaffhausen 2 Eichen,
zusammen also 52 Eichen, 3 Föhren und 2 Buchen.

Die neue Rheinbrücke verrichtete ihren wertvollen Dienst über hundertdreissig Jahre lang.
Aus den Stadtrechnungen und aus besonderen Einnahme-Rodeln erfahren wir, dass die
Benutzung der Rheinbrücke wohl recht gut und ziemlich gleichbleibend war und sich zum
weitaus grössten Teil aus dem Nahverkehr ergab.

Natürlich besass der seit der Stadtgründung bestehende und seit etwa der Mitte des 14.
Jahrhunderts in Diessenhofen allwöchentlich stattfindende Markt eine gewisse Bedeutung. Aber
diese Märkte litten unter der Konkurrenz derjenigen von Schaffhausen und Stein am Rhein und
kamen über eine gewisse lokale Bedeutung nicht hinaus.

Immerhin treffen wir auf dem Diessenhofer Markt eine ganze Reihe ausländischer Produkte. Der
Zolltarif für das Kaufhaus Diessenhofen vom Jahre 1426 nennt unter anderem Salz, Weine, zum
Beispiel Bozener (Südtiroler), Malfensier, Ruminer (Griechenwein) und „wälsch win“; ferner
Nüsse, Leinwand, Hanf, Eisen, Stahl, Gewürze, usw. Diessenhofen hatte ja auch seit 1426 einen
Kaufhausvertrag mit den Salzleuten der Stadt Memmingen, die eine bedeutende Rolle in der
Versorgung der Schweiz mit Salz spielten.Die revidierten Zolltarifordnungen aus der Zeit um
1670 führen dieselben Waren auf, dagegen ist hier die Anzahl der einheimischen, vor allem
landwirtschaftlichen, Produkte bedeutend grösser geworden.

Wenden wir uns nun aber der Zeit und den Ereignissen zu, deren Opfer die 1667/68
erstellte Brücke werden sollte:

Den Kriegsereignissen der Jahre 1799/1800

Sie brachten für die gesamte Gegend eine schwere Zeit.

England, Oesterreich und Russland hatten, die Abwesenheit Napoleons benützend, die
französischen Heere aus Deutschland und aus der Poebene vertrieben. Die Schweiz, die seit der
Einnahme Berns durch General Brune im März 1798 zum grössten Teil von französischen Truppen
besetzt worden war, sollte gehalten werden.

Den Oberbefehl über die Franzosen in der Ostschweiz führte General Massena, während General
Jourdan von Strassburg aus gegen Ulm vormarschierte, wo Erzherzog Karl von Oesterreich mit
seinen und russischen Truppen stand.

Massena versuchte durch das Vorarlbergische nach Schwaben vorzudringen, um sich mit Jourdan
zu vereinigen, erlitt aber bei Feldkirch eine verlustreiche Niederlage und zog sich in die Schweiz
zurück. Bei Zürich bezog er, mit helvetischen Regimentern vereinigt, feste Stellungen.

Auch General Jourdan war vom Kriegsglück nicht begünstigt; bei Ostrach im Sigmaringischen
kam es zu einem unentschiedenen Treffen am 21. März 1799. Vier Tage später wurde Jourdan
bei Stockach jedoch geschlagen und musste seine Truppen teils ins Elsass, teils über den Rhein
in die Nordschweiz zurüziehen. Im Mai 1799 fanden in der Gegend zwischen Schaffhausen und
Stein am Rhein die ersten Grenzgefechte statt, und im September desselben Jahres waren die
Franzosen bis auf das linke Ufer der Aare und der Limmat zurückgedrängt.

Erst in der erbitterten Schlacht bei Zürich vom 25. und 26. September 1799 gelang es General
Massena, die vereinigten Oesterreicher und Russen unter General Korsakow entscheidend zu
schlagen, und nun wälzte sich das ganze Kriegs-Geschehen zurück an die Rheinlinie zwischen
Eglisau und Stein am Rhein. Unter vielen verlustreichen Gefechten zog sich Korsakows Armee in
der Folge über den Rhein zurück.

In der Gegend um Diessenhofen geschah dies in der Zeit vom 3. bis 8. Oktober. Vom
Stammheimer Tal bis zum Kohlfirst wurden blutige Kämpfe ausgetragen. Am frühen Morgen des
8. Oktober begann der vorentscheidende Kampf auf dem Bergrücken zwischen Trüllikon und
Rudolfingen.

Am Abend hatten die Franzosen ihre Gegner bereits bis auf die südlich Diessenhofen liegenden
Felder zurückgedrängt. In der „Schlattingergass“, in der „mittlern Zelg“ und vor dem Obertor
brach der letzte Widerstand der Russen, die sich darauf nachts um neun Uhr in aller Stille über
die Rheinbrücke zurückzogen und diese danach in Brand steckten.

Lichterloh brannte der schöne Bau. „Zwei Dritt-Theile stürzten mit Anbruch des Tages, gegen
die Mitte drückend, woselbst sie mit einer wohl zwanzig Fuss langen und in ausserordentlich
dicken Ketten hängenden Fallbrücke versehen war, zusammen. Zwischen die starken Eichen,
deren vierzig, je fünf und fünfe zusammen in Joche gebunden die schöne Brücke trugen,
sperrten sich diese schweren Balken, so dass ihre grässliche Verbindung, dem Andrange des
Wassers mehrere Tage trotzte, bis sie, von der Glut aufgelöst, und die Joche bis auf den
Wasserspiegel abgebrannt, keinen Widerstand mehr zu leisten vermochte.“

Während sich so das traurige Schicksal der Brücke am 9. Oktober, dem Namenstage des
Diessenhofer Schutzheiligen Dionys, erfüllte, dröhnte die Luft vom Donner der russischen
Haubitzen, die auf der Gailinger Höhe aufgefahren waren. Diese schleuderten ihre Geschosse,
allerdings mit wenig Erfolg, über die Stadt hinweg in die französischen Linien Diessenhofen
selbst blieb mit Ausnahme weniger Einschläge, die aber weder grösseren Schaden noch
Todesopfer verursachten, in diesem Artilleriekampf unversehrt.

Den ganzen Winter (1799/1800) über lagerten die Heere der feindlichen Kriegsparteien zu
beiden Seiten des Rheins. Im darauffolgenden Frühjahr ging die von Napoleon inzwischen neu
aufgestellte Rhein-Armee in einer Stärke von 150 000 Mann von Strassburg bis Konstanz zur
Offensive gegen die Russen und Oesterreicher über.

Am 1. Mai 1800 überschritt die Armee des Generals Lecourbe bei Rheinklingen den Rhein;
gleichen Tages besetzten die Franzosen Schaffhausen und drangen durch den Klettgau
rheinabwärts, um sich mit der Hauptarmee Moreau zu vereinigen, die die Oesterreicher am 3.
Mai 1800 bei Engen und Stockach und am 6. Mai bei Messkirch schlug und bis Augsburg und
München vorrückte.

Am 7. Juli 1800 kam es zum Waffenstillstand und am 1. Februar 1801 endlich zum Frieden von
Luneville.

Erst jetzt atmete man auch bei uns wieder etwas auf und übersah allmählich den Schaden der
unseligen Kriegszeit. Hiezu gehörte für Diessenhofen vor allem auch der Verlust der
Rheinbrücke, des für die Fortexistenz der Stadt unbedingt notwendigen Rhein-Überganges.
Wenn wir ermessen wollen, wie schwer dieser Verlust, zusammen mit allen andern durch den
Krieg erlittenen Schäden, Diessenhofen traf, so müssen wir uns über die durch den zweiten
Koalitionskrieg in dem Rheinstädtchen geschaffene Lage wenigstens in der Hauptsache
Rechenschaft geben. Die Stadtkasse war leer, Schulden drückten, und die Bevölkerung war
ausgehungert.

Die Last der jahrelangen Belegung mit fremden Truppen und der damit verbundenen gewaltigen
Requisitionen wirkte sich bedenklich aus.
ln Diessenhofen lagen

vom 11. Oktober 1798 bis zum Mai 1799 französische Truppen,
vom 29. März 1799 bis zum 18. April 1799 helvetische Truppen,
vom 24. Mai 1799 bis zum 24. August 1799 oesterreichische Truppen,
vom 19. August 1799 bis zum 7. Oktober 1799 russische Truppen und
vom 8. Oktober 1799 bis zum 1. September 1800 französische Truppen.

Die Kosten für die enormen Requisitionen dieser Besatzungen waren von der Gemeinde
aufzubringen. Was das für Diessenhofen bedeutete, mögen nur einige, wenige Zahlen
klarmachen.

Unter anderem mussten bezahlt werden für:
222’965 Einquartierungen 148 643 Gulden 20 Kreuzer,

für 1’518 Klafter Brennholz 7 868 Gulden,
für Requisitionsfuhren 14 012 Gulden 15 Kreuzer,
für 864 Pfund Kerzen 460 Gulden 48 Kreuzer,
für 4635 Eimer altenWein 23 376 Gulden 15 Kreuzer,
für 3270 Viertel Kartoffeln 3270 Gulden.

Die Einwohner Diessenhofens hatten für die fremden Truppen 3264 Tage Schanzarbeit zu leisten;
jeder Tag musste von der Gemeinde mit einem Gulden bezahlt werden.

In den von den Soldaten zerstörten Weinbergen und an andern Kulturen schätzte man den
Schaden auf 89 360 Gulden; 626 100 Rebstecken mussten neu angeschafft und gestossen
werden, weil die alten von den fremden Soldaten in ihren Lagerfeuern und Unterkünften
verbrannt worden waren.

Der Schaden an der abgebrannten Rheinbrücke wurde mit 15 500 Gulden sicher zu bescheiden
eingeschätzt. Dazu kamen die Schäden an Häusern, Mobiliar usw. Die zehn Trotten im
rechtsrheinischen Weinberg waren alle zerstört.

Der Totalschaden belief sich allein für Diessenhofen auf 284 410 Gulden 12 Kreuzer.
Den anderen Gemeinden im ganzen Distrikt ging es nicht besser. Die Kosten beliefen sich

für Oberschlatt auf 40 714 Gulden 6,5 Kreuzer,
für Dickihof auf 721 Gulden,
für Unterschlatt 56 804 Gulden 51,5 Kreuzer,
fürBasadingen 58 884 Gulden 18 Kreuzer,
für Schlattingen 34 061 Gulden 29 Kreuzer,
für das Kloster Paradies 62 653 Gulden 27 Kreuzer,
für das Kloster Sankt Katharinental 62653 Gulden 38,5 Kreuzer,
so dass sich für den Distrikt eine Total-Schadensumme von 598 814 Gulden 52 Kreuzer ergab!

Der Distrikt (Bezirk) Diessenhofen war also so gut wie vollständig ausgeplündert!
Die Haupteinnahmen, Rheinzoll und Brückenzoll, flossen nicht mehr, denn die Brandruine der
Brücke lag kreuz und quer im Rhein und versperrte die Durchfahrt. Die allgemein unsichere
politische Lage jener Zeit hemmte die Ent~ schlusskraft.

Der Kampf, der in Bund und Kantonen um neue Formen und Ordnungen ging, das Ringen der
Föderalisten und Zentralisten um die Macht im Staate, das Streben nach Freiheit und Gleichheit aller
Stände und Bürger war im vollen Gange.

In der Bevšlkerung des Stdtchens selbst herrschten neben der allgemeinen Not Unzufriedenheit
und Misstrauen.

Gegenseitige Anschuldigungen, dass man zu dieser oder jener Kriegspartei gehalten habe,
zeitigten einen bösen Geist. Auch in sittlicher Beziehung hatte die lange Besetzung des Ortes
mit fremdenTruppen unerfreuliche Zustände verursacht. Steuern gingen nur widerwillig oder oft
gar nicht ein. Die damals offene Frage, ob Diessenhofen beim Thurgau verbleiben oder dem
Kanton Schaffhausen angeschlossen werden sollte, schuf zusätzliche Unsicherheit.

Aber über allem gewann der Wille zur Fortexistenz und Wiederherstellung normaler Verhältnisse
die Oberhand. Dies zeigte sich auch in Bezug auf die Wiedergewinnung des Rhein-Überganges.
An einen eigentlichen Brückenbau war allerdings vorläufig nicht zu denken, die Mittel waren
nicht vorhanden! Zuerst behalf man sich mit einem Fährdienst, der je morgens und abends von
sechs bis sieben Uhr und mittags von elf bis ein Uhr den Verkehr über den Rhein bewerkstelligen
musste.

Betrieben wurde er zunächst von von sechs kundigen Schiffsleuten, die diese Erlaubnis von der
Stadt auf dem Gantwege pachteten. Allerdings erhoben auch andere Personen den Anspruch auf
dieses Recht, sich am Fähhrdienst auf eigene Rechnung zu beteiligen, was zu vielen
Widerwärtigkeiten führte.

Die Stadt hielt aber an dem von ihr bestimmten Modus fest. Die Gebühren für die Hin- und
Rückfahrt wurden anfangs Mai 1800 festgesetzt, nämlich: für Diessenhofer Bürger und Arbeiter
in den rechtsrheinischen Weinbergen 1,5 Kreuzer, für Fremde 3 Kreuzer. Militär und Weibel in
Amtsgeschäften mussten kostenlos übergeführt werden.

Ein Jahr später wurde auf Reklamationen hin beschlossen, dass die Überfahrt für die
Diessenhofer Rebleute gebührenfrei, jede andere Überquerung des Rheins aber einen Kreuzer
kosten solle.

Die Ratsmanuale der Diessenhofer Munizipalität (im BAD) sagen am 2. Mai 1800, dass angeordnet
worden sei, das Holz der abgebrannten Brücke, das teilweise immer noch im Rhein lag,
wegzuschaffen, „damit die Schiff wieder passieren können“. Gleichzeitig wird die
Gemeindekammer beauftragt, alle Anstalten für den Bau einer „Comunications-Brügge“ zu
treffen.

Durch Vermittlung des Regierungsstatthalters im Thurgau und mit dessen Unterstützung gelangte
Diessenhofen am 31. Dezember 1800 an den Kriegsminister “der Einen und Unteilbaren
Helvetischen Republik” mit der Bitte um Erlaubnis zur Wiedererbauung einer Rheinbrücke, und
zur Erhebung eines Brückenzolles, „um sich für die Unkosten zu entschadnen“. Dieser Antrag
wurde jedoch abgewiesen.

Um jedoch den Besitzern rechtsrheinisch gelegenen Landes die Möglichkeit der Bestellung der
Felder und Weinberge zu erleichtern, wurde den Diessenhofern erlaubt, „in ihren Kästen eine
Gemeinschaft mit dem rechten Rheinufer mittelst eines Fahrs oder einer einstweiligen Brücke
zum Gebrauch der Fussgänger herzustellen, ohne eine Art von Abgaben oder
Hinübersetzungsgebühr erheben zu können, was Namens selbe auch sein möge“.

Das war allerdings keine befriedigende Antwort. Man fand sich in Diessenhofen mit diesem
Entscheid auch nicht ab, sondern schickte im Februar 1801 Präsident Zimmermann und Sekretär
Bachmann zu Regierungsstatthalter und Verwaltungskammer nach Frauenfeld, um dort ein
erneutes, eindringliches Gesuch mündlich und schriftlich vorzubringen, und zwar mit folgenden
Begründungen:

1. „Es sind sieben Hauptbrünnen in der Stadt, zu denen das Brunnenwasser über die Brügge
hergeleitet werden muss, und schon bald zwei Jahren wegen Aushebung und Abtrennung
derselben öde und leer stehen, dass unser armes Vieh besonders zur Winterszeit nicht zum
Tränken geführt werden kann und die Burgersleute das Wasser unbequem herbeischaffen
mussten“.

2. „Der beträchtliche, 200 Jucharten grosse Weinberg ennet Rheins mangelte schon dieser Zeit
und um der Ursach wegen, die nötige Bewässerung und Düngung, und so dieses das 3te und
folgende Jahr unterbleiben sollte, so wäre die Hoffnung verloren, die Jahrgänge möchten noch
so ergiebig ausfallen.“

Die Weinkelter, deren 10 an der Zahl, welche in den verheerten Weinbergen stehen und
ganzheitlich ruiniert sind, ohne herüber fahren zu können, nicht mehr zum Gebrauch hergestellt
werden könnten, folglich die zu hoffenden Trauben anderwärts gepresst und der Wein dem
Eigentümer nicht ohne Gefahr und Schaden zugeführt werden müsste.

Ist hauptsächlich zu bemerken, dass kein Wagenschiff anwendbar ist, wegen der beidseitigen
hohen Rheinufern, wo kein Ein- noch Ausfahrt statt hat, sonderlich aber Sommerszeit, beim
grossen, schnell laufenden Rhein nicht gebraucht werden könnte.

Alles Comercium von aller Arth würde unterbleiben, wie die Proben dieser Zeit, solches zum
Schaden der Burger genugsam an den Tag legten.

Wann die einzige Nahrungsquell des Weinberges, durch nicht Besserung derselben, und
zerschiedenen Handel und Gewerb mit den Nachbarn ennet Rhein, dadurch entzogen und
geschwacht würde, wer dürfte wohl an die Armuth der Zukunft gedenken der meisten unserer
Bürger wo bliebe wohl die Hoffnung des Friedens, und der Trost, es wird besser werden, ginge
verloren.

"Endlichen wo ist eine Gemeinde, die so vill erlitten an Kriegsverheerungen, wie selten eine in
Helvetien. Was wurde anjetzo entstehen, wann eine Rheinbrügge zum Herüberfahren entsagt 
werden sollte, welche unsere Nachbarn in Schwabenland selbst mit uns wünschen, dass die vorige
Comunication um villen Verbindungen willen mit Diessenhofen, wieder hergestellt werden
möchte.“

Mit diesen Begründungen wurde das neue, ausführliche Gesuch an den Vollziehungsrat der
Helvetischen Republik gerichtet. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es sich jetzt nur um
eine Notbrücke für den Personenverkehr, für die Wasserleitung und zum Transport von Dünger
und Materialien, höchstens um Lasten bis zu 25 Zentner handeln könne, weil die Kosten für den
Bau einer dauernden Brücke von der Gemeinde vorläufig gar nicht aufgebracht werden könnten.

Zugleich soll die beabsichtigte Notbrücke bei einem späteren Brückenbau als Gerüst dienen
können. Die Gemeinde, von Bund und Kanton auf sich selbst verwiesen, könne aber auch die auf
etwa 1800 Gulden veranschlagten Kosten für die Notbrücke nicht aufbringen, wenn ihr nicht
gestattet werde, einen Brückenzoll, und zwar auch eine Personaltaxe, erheben zu dürfen.

Das Gesuch erinnert daran, dass eine Hilfe für die Tilgung der grossen Kriegsauslagen im
Oktober 1800 mit Bedauern abgewiesen worden sei, jedoch mit der landesväterlichen
Versicherung, der bedrängten Lage Diessenhofens bei anderer Gelegenheit zu gedenken.

Diese Eingabe wirkte.

Unter der Leitung des Diessenhofer Werkmeisters Joseph Schmid wurde bereits im März 1801 mit
den Bauarbeiten begonnen. Diese wurden nach Möglichkeit gefördert, so dass der Übergang
noch im Laufe des Sommers 1801 benutzt werden konnte.

Die provisorische Brücke war aus Föhren und Tannenholz erstellt. Die Kosten betrugen 2737
Gulden 50 Kreuzer.

Der neunzehnjährige Zimmerlehrling Benedikt Hänsli von Basadingen, dem aus eigener
Unachtsamkeit der Rammklotz der „Katze“ den Schädel zerschmetterte, verlor bei diesen
Arbeiten das Leben.

Diesen Brückensteg sollten nur Fussgänger, Vieh und kleine Lasten passieren dürfen. Bespannte
Fuhrwerke durften nicht über die Brücke geführt werden, vielmehr mussten die Zugtiere
ausgespannt über den Steg getrieben, und die Fuhren von Menschen hinübergeschleppt werden.

Es scheint aber, dass diesen Vorschriften nicht immer und bald gar keine Folge gegeben wurde,
denn der Friedensrichter des Kreises Diessenhofen, dem die Aufsicht über die Einhaltung der
Gemeindeverordnungen überbunden war, hatte viele Streitigkeiten wegen Missachtung der
genannten Vorschriften zu schlichten.

Schliesslich wird ihm die Sache zu arg, und er schreibt 1803 an den Gemeinderat Diessenhofen,
man möge ihm, „der Freund und Liebling der Eintracht sei“, fernere Mühe um diese Verordnung
ersparen.

Diese provisorische Brücke war aber wirklich nur ein Notbehelf, der in erster Linie den
Diessenhofer Bürgern als Rheinübergang zur Besorgung der rechtsrheinischen Felder und
Rebberge diente. Jeder grössere Verkehr blieb aus.

Dementsprechend war auch der Ertrag des Brückengeldes, das zudem von den Diessenhofern,
die die Brücke zur Besorgung landwirtschaftlicher Arbeiten benützen mussten, nicht zu bezahlen
war, gering. Die Einnahmen reichten kaum zur Bestreitung der Auslagen für die ständigen
Reparaturen. Man war gezwungen, Gelder aufzunehmen.

Am 1. Mai 1801 wurde eine allgemeine Schuldurkunde ausgestellt, auf der vorerst Darlehen von
Diessenhofer Bürgern im Betrage von 4413 Gulden aufgeführt sind, die sich aus Beträgen von 11
bis 400 Gulden zusammensetzten und mit viereinhalb Prozent verzinst werden mussten.

Für die Sicherheit der Darlehen hafteten die ganze Gemeinde, der Stadt Güter und Vermögen,
Holz, Waldungen, Zoll, Fischenz, Jagdbarkeiten, Zins und Grundzinsen usw.
„Es bürgen und geloben die Behörden, dass jeglicher Bürger, alle wie Einer und Einer wie alle,
dafür mit all seinen bürgerlichen Pflichten verhaftet gut stehen und kein rechtmässige
Ansprüche auf Statt Guth oder alles und jedes, was Statt Guth heissen mag, vor hierinnen
eingeschriebenen Creditores haben soll und möge, als bis letzter Heller von Zins und Capital
ausgericht und abbezahlt und rückgegeben seyn werde.“

Die Darlehen sollten auch zur Tilgung der Kosten des „Bruskesteg Gebäudes“ verwendet werden;
da jedoch hiefür vor allem die Einnahmen aus dem Brückenzoll verwendet werden mussten,
konnte die Baute von 1801 erst im Jahre 1805 bezahlt werden. Aus dem Brückengeld der Jahre
1801 bis 1805 ergaben sich allerdings nur 1366 Gulden, das heisst, kaum die Hälfte der weiter
oben genannten Baukosten, so dass die Darlehen trotzdem beansprucht werden mussten.

Diessenhofens Bemühungen mussten aber von allem Anfang dahin gehen, möglichst bald wieder
eine richtige Rheinbrücke erstellen zu können. Dieses Ziel konnte nur erreicht werden, wenn die
finanziellen Aufwendungen für Bau und Unterhalt der Brücke einigermassen gesichert erscheinen
konnten.

Der Möglichkeit, dies zu erreichen, stand aber seit Inkrafttreten der Mediationsakte der
Umstand ent gegen, dass die Zölle, also auch der Rhein- und Brückenzoll, nicht mehr Eigentum
der Gemeinden, sondern staatliche Regale waren.

Wohl war Diessenhofen seit 1399 im vollen Genuss des Ertrages aus dem Brückengeld, und seit
1460 traf dies auch für den Rheinzoll zu. DenVerlust dieser bedeutenden, für die Stadt
notwendigen Einkünfte durch die neue Ordnung, wollte Diessenhofen nicht so einfach
hinnehmen.

Seit 1804 bemühte sich sein Rat in vielen Eingaben an die thurgauische Regierung darum, Rhein
und Brückenzoll wieder in das Eigentum der Gemeinde zu bringen. Die Angelegenheit kam aber
nicht vorwärts.

Dieweil war die provisorische Brücke für Diessenhofen ein empfindliches Verlustgeschäft. Die
Totalausgaben für die Notbrücke beliefen sich in den Jahren 1801 bis 1810 auf 4668 Gulden,
während die Einnahmen aus dem Brückengeld nur 2546 Gulden betrugen. Besser war es mit
dem Rheinzoll bestellt, der aber dem Staat zufloss! Der für die Zeit von 1803 bis 1810 wurden
total 6164 Gulden eingebracht, während nur gerade 491 Gulden für Verbesserungen am
Rheinufer auszugeben waren.

Im August 1810 befand sich die provisorische Brücke wieder einmal in einem sehr schlechten
Zustand.

Am 11. Dezember 1811 endlich befasste sich ein Bericht der kantonalen Finanzkommission
eingehender mit der Diessenhofer Brückensache; am 28. Januar 1812 kam es dann zu einem
Vertragsentwurf über die Regelung von Brückenbau und Zöllen, der vom Diessenhofer
Stadtammann Laurenz Brunner anerkannt wurde.

Der Vertrag vom 7. Februar 1812 aber, welcher der Gemeinde zur Genehmigung vorgelegt
wurde, war zuungunsten Diessenhofens geändert worden; er lautete:

1. Die Stadtgemeinde verpflichtet sich, unter Aufsicht der besagten Commission und nach einem
von ihr zu genehmigenden Plan, eine neue gedeckte, hölzerne Brücke über den Rhein daselbst
zu erbauen.
2. Der Bau soll mit Ende des Jahres 1813 gänzlich vollendet sein.
3. Die Handarbeit, welche sich bei dem Bau durch Frondienste leisten lässt, soll mittelst
selbigen geleistet werden.
4. Es ist der Gemeinde freigestellt, entweder das Bauholz und die Fuhrkosten in Rechnung zu
bringen, in welchem Fall sie hinsichtlich der Bezahlung des Brückengeldes gleich den Fremden
gehalten werden soll, oder aber diese Kosten wegzulassen und dannzumal der Bezahlung des
Brückengeldes für den Gebrauch der Brücke zum Haus und Gütergewerb enthoben zu sein.
5. Die Stadtverwaltung wird über die sämtlichen Baukosten eine mit Belegen versehene
Rechnung führen, welche sie nach Beendigung des Baues der Finanz-Commission einzugeben
hat.
6. Zur Deckung der Baukosten und des fortdauernden Unterhaltes der Brücke werden der
Stadtgemeinde auf unbestimmte Zeit und so lange, bis die Kosten vergütet sein werden,
überlassen:
a. Das Brückengeld auf bisherigem Fuss.
b. Der Wasser- oder Rheinzoll, jedoch in der Meinung, dass sie die allfällig auf demselben
haftenden Beschwerden nebenbei zu tragen und zu bestreiten haben soll.

Die Stadtgemeinde hat den alljährlichen Ertrag des Brückenzolles und des Rheinzolles je im
Monat Jenner des darauffolgenden Jahres der Finanz-Commission anzuzeigen.
Auf diesen Artikel ging Diessenhofen begreiflicherweise nicht ein, vielmehr trat nun die Stadt
mit der Forderung um Überlassung des Rheinzolles und des Brückengeldes zur freien Disposition
auf.

Man berief sich dabei wie bisher auf den früheren, rechtmässig erworbenen, und für
Diessenhofens Oekonomie unbedingt notwendigen Besitz dieser Rechte, und auf Artikel 4 der
Vermittlungsakte, nach welchem jeder Stadt ein mit ihren örtlichen Ausgaben
verhältnismässiges Einkommen wieder errichtelt werden müsse.

So ging der Handel zwischen Regierung und Stadt wiederum weiter, und der Zustand der
provisorischen Brücke wurde immer bedenklicher.

Im Juli 1813 stürzte sogar ein Teil derselben ein. Notdürftig wurde der Schaden ausgebessert.
Im Herbst 1814 endlich kam man, wenn auch immer noch ohne Klärung der besprochenen
Streitfragen, zum endgültigen Entschluss, den Bau einer neuen Rheinbrücke durchzuführen.
Werkmeister Zingg von Bischofszell, der um ein Projekt ersucht wurde, veranschlagte die Kosten
für die Zimmerarbeiten (ohne Holz- und andere Materiallieferungen und Hilfsarbeiten) auf etwa
6000 Gulden.

Gleichzeitig wandte man sich aber auch an Stadtwerkmeister Andreas Widtmer in Schaffhausen,
der zwei Projekte einreichte. Der eine Vorschlag sah eine gedeckte Holzbrücke mit „vier
einfachen und zwei doppelten Jochen oder Pfeiler“ vor und kam auf eine Kostensumme von
7498 Gulden, das andere Projekt plante den Bau mit „vier doppelten hökernen Jochen oder
Pfeiler“ und errechnete 8000 Gulden Kosten.

Dem zweiten Vorschlag wurde zugestimmt und Werkmeister Andreas Widtmer mit der
Ausführung der Baute betraut. Die noch vorhandenen Projektpläne zeigen den erstgenannten
Vorschlag. ln der Rathauslaube zu Diessenhofen ist das von den beiden Obergesellen Widtmers
angefertigte Modell, das die kunstvolle Holzkonstruktion der Baute sehr schön zeigt, ausgestellt.

Die Kostensumme von 8000 Gulden ist nur für die Arbeiten des Werkmeisters und seiner
Gesellen zu verstehen. Alles Baumaterial war von der Stadt auf die Baustelle zu liefern, wie sie
auch sämtliche Hilfskräfte zu stellen und alle Fuhrleistungen auszuführen hatte.

Im Dezember 1814 wurde zur Bestreitung der Baukosten ein Anleihen von 10 000 Gulden auf
sechs Jahre fest und mit der „ringst möglichen Verzinsung“ aufgelegt. Für die Darlehen haftete
die Gemeinde mit all ihrem Vermögen und „Verhaftung aller für Einen und Einer für Alle“, bis
die Schuld abgetragen sei.

Mit den Arbeiten war bereits im Oktober 1814 begonnen worden. Vorerst handelte es sich hiebei
darum, den schadhaften Brückensteg so weit zu sichern, dass er als Baugerüst für die neue
Brücke und auch dem Verkehr von Fussgängern und leichterm Vieh dienen konnte.

Gegen Ende März 1815 war das so weit. Inzwischen wurde das nötige Bauholz gefällt und auf
dem Lindenplatz vor dem Obertor von den Zimmerleuten hergerichtet. Das Abfallholz wurde auf
Ganten verkauft und der Erlös für den Bau verwendet.

Der Diessenhofer Baumeister Jakob Ruch, der als Beauftragter der Stadt unter der Oberleitung
von Werkmeister Widtmer die Bauaufsicht ausübte und die Baurechnung führte, hatte alle
Hände voll zu tun.

Ende Mai 1815 hätte mit dem Neubau begonnen werden können. Aber noch ging der Krieg gegen
den grossen Korsen (gemeint ist Napoleon) weiter; eben traten die vereinigten Oesterreicher,
Deutschen, Russen und Engländer zu den letzten entscheidenden Schlachten an.

Den Diessenhofer Stadtvätern schien der Ausgang des gewaltigen Ringens offenbar noch
unsicher, denn sie gaben Weisung, den Bau der Brücke zu verlangsamen, „da man nicht wisse,
wie der Krieg ausgehe“.

Erst als die Nachricht von der endgültigen Niederlage Napoleons in den Schlachten von
Waterloo, Bellealliance, Ligny und Quatrebras ( 15. - 18. Juni 1815 ) eintraf wurden die Arbeiten
an unserer Brücke wieder mit voller Kraft weitergeführt.

Ab 29. August 1815 wurde der Verkehr über den Brückensteg gesperrt, weil dieser jetzt
ausschliesslich den Bauarbeiten zu dienen hatte und mit dem Fortgang derselben abgebrochen
wurde.

Wie in den Jahren 1 800/1801 musste wiederum ein Fährdienst den nötigsten Verkehr über den
Rhein bewerkstelligen. Rüstig schritten die Bauarbeiten voran. Vom frühen Morgen bis abends
neun Uhr oder solange es Tag war, wurde gearbeitet. Der monotone Sang der Arbeiter
begleitete das harte Schlagen der Rammkatzen; Balken und Dielen klangen und dröhnten unter
den Schlägen von Äxten und Hämmern; Mess-Stab und Winkel taten in kundiger Hand ihren
wertvollen Dienst, und allmählich fügten und schlossen sich Pfeiler und Balken zum
handwerklich kunstvollen Bau.

Am 12. Januar 1816 meldete Baumeister Jakob Ruch, dass der Brückenbau „fast völlig beendigt“
sei, und fragte an, „ob den Gesellen nicht noch ein Trunk spendiert werden könnte, wie sie das
erwarten, desgleichen Werkmeister Widtmer eine Douceur oder Andenkgroschen für seinen
besonderen Fleiss.

Der Werkmeister erhielt zehn Louisdor, den Gesellen gab man einen halben Taler für den Trunk;
ferner sollte ihnen das ins Wasser gefallene Werkzeug zum Teil entschädigt werden.
Am 5. März 1816 legte Baumeister Ruch bereits eine erste Bauabrechnung vor, die auf 26 703
Gulden Ausgaben und 2426 Gulden Einnahmen - aus verkauftem Abfallholz, Seilen und anderem
Material kam.

Im Laufe des Sommers wurden noch die Einschindelungs- und Maler-Arbeiten ausgeführt.
Die besondere Kommission, die sich mit der Prüfung der Bauabrechnung zu befassen hatte,
genehmigte diese am 7. Dezember 1816 mit einem Kostenbetrag von 25 871 Gulden endgultig.

Auch die seit 1804 anhängigen Angelegenheiten der Zölle hatten inzwischen einer für
Diessenhofen tragbaren Lösung entgegengeführt werden können. Der Grenzzoll wurde von der
thurgauischen Regierung ab Januar 1816 um einen jährlichen Zins von 186 Gulden für sechs
Jahre an Diessenhofen pachtweise abgetreten.

Am 31. August 1816 beschloss die eidgenössische Tagsatzung auf Antrag des Regierungsrates,
Diessenhofen den Bezug der Brückengelder im bisherigen Ansatz samt dem so lange
umstrittenen Personalbrückengeld von einem Kreuzer auf sechs Jahre zu bewilligen. Diese
Bewilligung wurde nach deren Ablauf auf weitere sechs Jahre erneuert und blieb schliesslich bis
zur Neuordnung der Dinge im Jahre 1849.

Die Diessenhofer waren von der Entrichtung des Personalbrückengeldes befreit und für die
Gemeinden Gailingen und Dörflingen wurde im Dezember 1820 die Taxe auf einen halben
Kreuzer herabgesetzt.

Die neue Brücke führt mit fünf Jochen über den Rhein; sie besitzt einen vollständig
ausgebauten, eingeschindelten und fest gedeckten Oberbau.

Soweit also die historische „Brückengeschichte“. Sie ist jedoch mit dem Jahre 1820 nicht zu
Ende. In den nun folgenden 180 Jahren musste „unsere Brücke“ weitere 2 Kriege und viele
Reparatur- und Sanierungs-Arbeiten über sich ergehen lassen. Eine markante Grösse spielte
dabei sicher auch die Bombardierung der rechten Brückenseite durch amerikanische
Kampfflugzeuge gegen Ende des zweiten Weltkriegs im Jahre 1944. Erinnerungen von
Direktbetroffenen und Fotos werden in einem weiteren Artikel im dem Latschariplatz-Medium
n Kürze erscheinen.

René Sehringer

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Freitag, 25. Dezember 2015

Historisches Zeugnis *** Das Murg-Hochwasser vom 10./11. Juni 1876 (Thurgauer Zeitung)


Das Murg-Hochwasser vom 10./11. Juni 1876 (Thurgauer Zeitung)

Am Samstag nach 4 Uhr Abends überzog der Himmel von Nordost nach Südost her zugleich mit finstern Gewitterwolken, die nahe der Erde tief und unheimlich heranziehend, bald unter heftigen Entladungen gewaltige Regenströme auszuschütten begannen. Die Murg , die sonst so harmlos ihre Wellen zwischen den Weidengebüschen des Ufers fortzuspühlen pflegt, nahte jetzt in furchtbar gigantischer Gestalt weithin Alles in ihren tosenden gelben Fluten begrabend und fortreissend, was ihnen nicht Widerstand zu leisten vermochte.


Bald nach 9 Uhr ertönte die Sturmglocke und rief die Feuerwehr und was helfen wollte und konnte zur Hülfe herbei. Allein in der finstern Nacht und bei dem strömenden Regen stand der Mensch dem feindlichen Element machtlos gegenüber. Bäume, die man demselben hätte entgegen werfen können, waren keine zur Hand oder wo sie, wie in der untern Promenade zu finden gewesen, war ihnen schon nicht mehr beizukommen. Das Hauptaugenmerk war auf die beiden steinernen Murgbrücken und einzelne Stellen zu richten, wo man das Murgbett durch Bauten ungebührlich hatte verengen lassen. 

Daneben handelte es sich hauptsächlich um Räumung der bedrohten Wohnungen und gewerblichen Etablissementen, welcher Aufgabe sich namentlich die freiwillige Feuerwehr mit anerkennungswerther Hingebung unterzog. Allein das Wasser liess nicht viel Zeit dazu, indem es zusehends stieg und binnen weniger Stunden die bisher nie gesehene Höhe von circa 25 Fuss (7.50 Meter) über seinen Normalstand erreichte. Sein erstes Opfer war der eiserne Steg bei der Rothfarbe; ihm folgte der hochschwebende Steg bei der Bierbrauerei Frei und ein kleineres Gebäude bei der Seidenzwirnerei im „Gutschick“. 

Weit Schlimmeres folgte nun Schlag auf Schlag. Mit unterschiedlicher Wut stürmte der Strom gegen das am Eingang der untern Promenade, sonst hoch über dem Murgbett gelegene Etablissement Mutter (Eisengiesserei) an. Es mochte gegen Mitternacht sein – die Stunden schwanden im Fluge - da stürzte unter gewaltigem Krachen daselbst, fernhin hörbare Brausen des Stromes weit übertönte das Giessereigebäude in die Tiefe. Noch stand aber das höher gelegene Wohnhaus, aus dem man rettete was zu retten war. 

Allein nicht lange, so barst dieses mitten entzwei und mit der Hälfte, die vom Strom verschlungen wurde, wurde auch einer der braven Retter, Schriftsetzer Munz. fortgerissen. Sein Leichnam wurde am Sonntag Morgen im Gestrüppe der untern Promenade gefunden. Ein zweites Opfer ist Förster Erni, der bei der Rohrer Thurbrücke das Leben verlor, indem er die bereits tief unter Wasser stehende Brücke passieren wollte und einen Dritten soll die Murg hergetragen haben). Ungefähr zu gleicher Zeit – ob etwas früher oder später, ,riss der Strom von den unterhalb der oberen Murgbrücke gelegenen Gebäulichkeiten des Mühlenmachers Freund, mehrere Häuser samt den Gärten fort.

Nun schien der Zorn des Elementes einigermassen besänftigt zu sein; das Wasser fiel und man durfte sich der Hoffnung hingeben, dass des Unheils genug sei. Der Sonntagmorgen enthüllte ein ernüchterndes Bild der Zerstörung und der Regen ergoss sich noch immer in Strömen. Nachmittags begann der Strom , der um etwa 15 Fuss (4.50 Meter) gefallen war, neuerdings zu steigen und nach 3 Uhr erschien die Lage wieder als so bedrohlich, dass die Sturmglocken abermals zur Hülfe rufen mussten. 

Jetzt konnte, da es noch hell war, der Verheerung etwas wirksamer begegnet werden. Der Wasserstand erreichte auch bei circa 6 Fuss nicht die Höhe der Nacht; aber wo das Wasser angefressen , besonders an den Bückenpfeilern, da frass es in der Tiefe unaufhaltsam fort, was dann heute Morgen in seinen Folgen zu Tage trat.

Montag: Gegen 8 Uhr Morgens vernimmt man Kanonendonner. Es heisst, dass nun auch die gefürchteten Hochwasser der Thur nahen. Sie sind aber schon da und dringen bereits nahe an das etwa eine halbe Stunde entlegene Langdorf (nordöstliche Vorstadt von Frauenfeld). 

Die Kanonenschüsse waren aber nicht Allarmzeichen, sondern galten dem Turbinenhause der Fabrik zum „Gutschick“ , das zusammengeschossen werden musste, damit es nicht, vom Strome ganz fort gerissen, die nahe untere Murgbrücke zwischen Frauenfeld und Kurzdorf sperre das Wasser nach beiden Seiten abdränge und schliesslich die auf der einen Seite schon tief unterwühlte Brücke selbst vernichte, wie es die Eisenbahnbrücke bereits zerstört und die neue eiserne Gitterbrücke im Langdorf zu zerstören im Begriffe steht. 

Zur Stunde ist jenes schlimmste zwar noch nicht eingetreten, aber jeden Augenblick zu fürchten, da das Wasser noch nicht fällt. Mittlerweile setzt dieses sein Zerstörungswerk andernorts mit ungeschwächter Kraft fort. Bald nach 9 Uhr wird uns berichtet, dass der Pfeiler der Gittereisenbahnbrücke am südlichen Ufer eingestürtzt und ein Stück des Kanals zwischen der Seidenzwirnerei in der Ergarten und dem Etablissement Martini, Tanner und Cie. 

In ziemlicher Höhe über dem Bett weggeschwemmt worden; ebenso die Schreinerei der letztern Fabrik und dass nun deren Eisenmagazin in grösster Gefahr schwebe. Gleichzeitig vernehmen wir, dass auch die schöne lange Thurbrücke bei Rohr, die erst vor etwa zwölf Jahren, mit grossen Opfern der Gemeinden erstellt worden, vollständig fortgerissen worden.

So der Stand der Dinge in Frauenfeld, Montagvormittag 10 Uhr.

Auch in Matzingen wütete die Murg, nebst der Lauche. Ein paar Notizen aus einem Zeitungsbericht:

Am 8. Juni 1876 setzten schwere Gewitter ein und zwei Tage später begann es heftig zu regnen. Die fünf Flüsse in Matzingen überlagerten sich. Bei der Spinnerei Matzingen legte sich ein Erdrutsch quer über die Strasse und zwischen den Posthäusern und dem Dorf war diese auf rund 60 Mater weggespühlt.
Die Lauche hatte die Landstrasse beim Schulhaus ausgelöscht. Ein trauriger Anblick ergab der Friedhof mit den freigelegten Särgen, die den Fluss hinuntertrieben.

Der Wasserstand war bald auf drei Meter angestiegen. Die Murg trat über das Lauchefeld.
Die Neubrücke und die Teigwarenfabrik und die Mühle mussten teilweise verlassen werden. Die hölzerne Notbrücke über die Lauche wurde nach dem Hochwasser als erste erstellt.


Uesslingen, 8. Januar 2016
Alfons Lenz

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